Keep cool

Keep cool - Simulationsspiel, Brettspiel von Dr. Klaus Eisenack, Dr. Gerhard Petschel-Held und weitere

Setzen Sie das Klima aufs Spiel

Die ersten Eindrücke waren negativ: Das Spielbrett stinkt, und die großformatige Anleitung umfasst entmutigend zahlreiche Seiten. Dass nach Abschluss des Probespiels dennoch der Wunsch aufkam, dieses Spiel gelegentlich erneut zu spielen, spricht für dessen Qualität.

Das anfängliche Durchbeißen durch eine umfangreiche Anleitung ist ja ein Hemmnis vieler etwas komplexerer Spiele – auch wenn sich diese durch eine ansprechende Gestaltung auszeichnet. Obwohl beim Verlesen manch murrender Zweifel daran geäußert wurde, dass doch noch Spielspaß aufkommen könnte, haben wir durchgehalten. Motiviert hat uns, dass wir einige erläuternde Abschnitte auslassen konnten, dass das beiliegende wissenschaftliche Begleitheft ausdrücklich nicht vorher gelesen werden brauchte, und dass sich in der Mitte des Anleitungshefts angekommen herausstellte, dass die restlichen Seiten die englische Anleitung umfassen.

Die Ausgangssituation hat manchen Bezug zur Realität: Jede SpielerIn bestimmt die Geschicke je einer von sechs Staatengruppen: USA und ihre Freude, Europa, ehemalige Sowjetunion, OPEC-Staaten, Schwellenländer und Entwicklungsländer. Selbstverständlich beginnen diese Staatengruppen mit unterschiedlichen Industrialisierungsgraden.

Wie die Schlange aufs Kaninchen gehen immer wieder bange Blicke aufs „Carbometer“: Dünne runde schwarze Scheiben liegen als Säule auf einer leicht geneigten Ebene. Sie geben den Blick frei auf eine bei Spielbeginn hellblaue Fläche. Diese steht für eine eher geringe Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre. Während des Spiels werden immer mehr dieser schwarzen Scheiben vom oberen Ende der Säule entnommen, nacheinander kommt der gelbe, der orangefarbene und schlimmstenfalls der braune Untergrund zum Vorschein. Wird die letzte schwarze Scheibe entfernt – sinngemäß das letzte Quäntchen fossiler Energieträger der Erde entnommen – ist das Klima vollends ruiniert, und alle verlieren gemeinsam.

Nun läge die Idee nahe, dass alle Staatengruppen ihre Industrialisierungsgrade auf ein Minimum zurückschrauben um diesen Worst Case zu vermeiden. So einfach ist es aber nicht: Auch wenn die Anzahl der Fabriken zu gering wird, verlieren alle. Die Spielenden sind reihum nacheinander dran. Ein Spielzug umfasst folgende Elemente: Katastrophe, Einnahmen, Investitionen, Carbometer auffüllen. Im einzelnen: Vom Stapel der gut gemischten Katastrophenkarten wird die oberste aufgedeckt, und die Spielerin am Zug würfelt. Je heißer das Klima bereits ist, desto wahrscheinlicher tritt die auf der Karte beschriebene Klimafolge ein. Manche dieser Folgen betreffen alle gleichermaßen, andere nur eine bestimmte Staatengruppe. Die erstaunlich zahlreichen und auf den Karten gut illustrierten Klimafolgen reichen von Dürren und Überschwemmungen über Vulkanausbrüche und Erdrutsche bis hin zu Seuchen und höherer Sonnenaktivität. Realistischerweise profitieren manche auch von einzelnen Klimafolgen.

In der Mitte des Tischs liegt eine Weltkarte, auf der für jede der sechs Staatengruppen ein Rechteck mit je drei Ablagefeldern eingezeichnet ist: Eins für fossile Energie benötigende Fabriken, eins für ohne fossile Energie aufkommende Fabriken und eins für Schutz vor Klimafolgen. Diese Errungenschaften der Staatengruppen werden durch schwarze, grüne und rote Würfelchen dargestellt. Für jede Fabrik erhält die Staatengruppe am Zug zwei der schwarzen Plättchen: Für schwarze Fabriken aus dem Carbometer, für grüne aus einem allgemeinen Vorrat. Die erhaltenen Plättchen gelten nicht nur als Vorrat des Planeten an fossilen Energierohstoffen, sondern auch als Währung.

Die Staatengruppe am Zug darf nun investieren: Schwarze und grüne Fabriken kosten je weniger, umso häufiger diese Staatengruppe bereits welche errichtet hat, wobei die grünen Fabriken zumindest zunächst tendenziell teurer sind als die schwarzen. Investiert werden kann auch in Schutz vor Klimafolgen: Diese roten Würfelchen werden um so teurer, je mehr davon bereits aufs Spielfeld wanderten. Die vierte Möglichkeit des Investierens besteht aus der Innovation: Wenn eine Staatengruppe oder mehrere zusammen 7 Chips zahlen, dürfen die an der Zahlung Beteiligten beispielsweise den Kaufpreis grüner Fabriken etwas herabsetzen.

Zuletzt wird das Carbometer aus dem allgemeinen Vorrat wieder aufgefüllt: Je heißer das Klima, desto mehr Chips werden wieder hineingelegt – wobei sich die Klima-Erholung in der braunen Phase wieder verlangsamt. Allerdings genügt dieses Auffüllen in der Anfangsphase keineswegs um das Klima auch nur einigermaßen zu stabilisieren.

Soweit so übersichtlich. Die Frage liegt nahe, wann das Spiel zu Ende ist, wenn die beiden oben beschriebenen Totalverlust-Szenarien nicht eintreten: Jede Staatengruppe hat ein vorgegebenes wirtschaftliches Ziel, beispielsweise eine Mindestanzahl eigener Fabriken. Außerdem verfügt jede Staatengruppe über eine zufällig gezogene Zielkarte mit zwei Zielen: Wenn jemand sowohl das wirtschaftliche Ziel erreicht als auch eins der beiden auf der Zielkarte vermerkten, hat sie oder er sofort gewonnen.

Immer noch übersichtlich? Okay, dann kommen wir zu den Sonderfällen:

Die meisten Klimafolgen erfordern das Abgeben von Chips aus dem Bestand der betroffenen Staatengruppe. Jedes rote Klimafolgen-Schutz-Würfelchen verringert diese Zahlungspflicht um 1. Sollte der Bestand an Chips zu gering sein, muss diese Staatengruppe eigene Fabriken abreißen und erhält dafür lediglich einen Bruchteil der Baukosten zurück. Dieser Mechanismus kann dazu führen, dass die Anzahl schwarzer Fabriken auf dem Spielplan sinkt und sinkt und somit die Entnahme aus dem Carbometer auf ein Maß zurückgeht, das am Ende des Spielzuges durchs Auffüllen in etwa kompensiert wird. Dann wäre immerhin schon mal ein einigermaßen stabiles Klima erreicht.

Weitere Sonderfälle betreffen mehr oder weniger nachvollziehbare Privilegien dreier Staatengruppen: Den OPEC-Staaten fließen je nach Anzahl schwarzer Fabriken auf dem Spielplan zusätzliche Chips zu. Die Entwicklungsländer dürfen zusätzlich drei Chips aus dem Vorrat ins Carbometer legen, sie müssen es aber nicht. Die übrigen Staatengruppen können ihnen allerdings gute Argumente dafür übermitteln, beispielsweise in Form von Chips aus ihrem Bestand – diese Form der versuchten Einflussnahme ist beispielsweise von Putsch bekannt. Die Staaten der ehemaligen Sowjetunion dürfen von einer anderen Staatengruppe genau einen Chip verlangen.

Dass Keep Cool eine nicht unerhebliche Portion Interaktion bereithält, macht zusammen mit dem deutlich ausgeprägten kommunikativen Element den Reiz aus. Vielleicht kombiniert mit der Versuchung, bestimmte Staatengruppen so zu spielen, wie sie sich jahrzehntelang verhalten haben: Manche legen erhebliche Portionen Egoismus, Klima-Ignoranz und Nach-mir-die-Sintflut-Mentalität an den Tag. Der Druck auf SpielerInnen, sich gefälligst global verantwortlich zu verhalten, damit nicht alle gemeinsam verlieren, wird auch verbal aufgebaut. Der beabsichtigte Lern-Effekt dieses Spiels setzt dadurch gut nachvollziehbar ein, beim dritten Durchgang hat niemand mehr gewagt, auch nur eine einzige mit fossilen Rohstoffen zu versorgende Fabrik zu bauen.

Die erste Runde nach dem Regelstudium war von zahlreichen Nachfragen zur Spielregel geprägt, ab der zweiten ging es dann deutlich flüssiger über die Bühne. Wie bei just erst vorgestellten etwas komplexeren Spielen üblich, hatten nicht alle SpielerInnen sämtliche Feinheiten stets parat. Beispielsweise orientierten sich die wenigsten an ihren jeweiligen Spielzielen, weil sie schon gut mit dem Einhalten der Spielregeln und mit taktischen und strategischen Überlegungen ausgelastet waren. Und die vorgesehene Möglichkeit, aus indirektem Eigeninteresse auch mal einer anderen Staatengruppen Wohltaten in Form von Fabriken oder Schutzsteinen zukommen zu lassen, wählte niemand. Vielleicht ist auch die noch zu entwickelnde Fähigkeit, stets alle Spiel-Optionen präsent zu haben, ein Grund dafür, dass die TesterInnen mehr oder weniger unisono einen weiteren Durchgang wünschten.

Eine Übersicht pro SpielerIn, die die wesentlichen Teile einer Runde abbildet, wurde vermisst. Als Weltkarte wäre ein flächentreuer Entwurf wünschenswert gewesen, und die Zuordnung mancher Staaten zu bestimmten Staatengruppen erwies sich als nicht über jede Kritik erhaben. Dass viele kybernetisch aufeinander wirkende Aspekte des Klimas sehr vereinfacht dargestellt werden mussten, wurde teils mit Verständnis, teils mit Missfallen aufgenommen. Das Entnehmen von Chips aus dem Carbometer erwies sich als umständlich, und beim Hineinlegen gelang es manchmal nicht, die Chips an die bestehende Säule anzulegen. Die Farben auf dem Boden des Carbometers sind nicht von überall gut erkennbar – es wäre wünschenswert, diese auch außen anzubringen.

Für ein strategisches Spiel ist das Zufalls-Element zu ausgeprägt. Der Lern-Effekt setzte wie gewünscht ein: Beim letzten Durchgang war die Einzelkämpfer-Mentalität verschwunden, Verhandlungen liefen kurz und zielorientiert ab, wir agierten klimaschonend optimiert und ausgesprochen kooperativ, was den Ablauf vorhersehbar machte und die Spannung herausnahm. Wie sind gewissermaßen cool geblieben. Dynamischer wird es tendenziell, wenn alle sechs Staatengruppen vertreten sind, denn mit nur vier Spielern fallen Feinheiten weg, die die dann nicht teilnehmenden zwei Staatengruppen auszeichnen. Die Lust, es nochmals zu spielen nimmt von Partie zu Partie ab. Wäre Keep cool nicht definitiv als Lernspiel konzipiert, sondern das Unterhaltungs-Element in den Vordergrund stellen, würde es dem Anspruch weniger gerecht.

Dirk Bake

Sie sollten Keep cool kaufen, wenn Sie:
Sie sollten Keep cool nicht kaufen, wenn Sie:
- sich gern globaler Herausforderungen annehmen, - geruchsneutrale Spiele bevorzugen,
- kybernetische Spiele mögen, die auch mal selbst gewinnen und alle SpielerInnen gemeinsam verlieren lassen können (wie beispielsweise Republic of Rome), - sich Ihr im richtigen Leben an den Tag gelegtes vielleicht bezüglich Klimaschutz noch suboptimales Verhalten nicht vorwerfen lassen wollen – nicht einmal als Erkenntnis aus einem Spiel,
- Ihnen das Fehlen einer vor jeder SpielerIn zu platzierenden Spielübersicht nichts ausmacht, - beim Spielen das gute Gefühl brauchen, viel zum Fortgang des Geschehens beitragen zu können ohne dabei nennenswert vom Agieren anderer abhängig zu sein,
- Sie sicherstellen können, dass die auf den Spielertableaus zu platzierenden Preis-Würfelchen, nicht versehentlich verschoben werden, - griffigere Chips bevorzugen als die beigefügten hoffentlich nicht aus fossilen Rohstoffen hergestellten,
- Ihre Frusttoleranz-Rate es zulässt, dass Sie mehrere Runden lang kaum vorankommen oder sogar zurückgeworfen zu werden. - einen geringeren Abstraktionsgrad wünschen und keine Lust haben, einfarbige Würfelchen als Fabriken und einfarbige Chips als Geld anzusehen.


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Kurzinfos

Keep cool

Gesamtbewertung

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Autor

Dr. Klaus Eisenack, Dr. Gerhard Petschel-Held und weitere

Verlag

spieltrieb

Erscheinungsjahr

2013

Spieleranzahl

3 - 6

Dauer

ca. 60 - 120 Min.

Alter

ab 12 Jahren

Preis

ca. 30 €

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