Totem

Totem - Brettspiel von Philippe de Pallières und Patrice Pillet

Hoch hinaus

Wer La Vallée de Mammouths kennt, wird manche Elemente bei Totem wiederfinden – zum Beispiel ein Naturvolk, Vermehrung sowie Versorgung durch Jagd. Vier Sippen oder Stämme (in der Anleitung "Familien" genannt) bauen je einen Totempfahl. Wer als erstes einen bei Spielbeginn mit einer Einheit startenden Pfahl auf sechs Einheiten erhöht, gewinnt.

Wie bitte, da fehlt noch was? Ach so, ja – Angaben zu Ablauf, Material und Spaß. Also dann:
Jeder Spieler führt einen Stamm. Jedem Stamm stehen auf dem Spielfeld drei Zelte, ein Pferch für Haustiere und ein Totempfahl-Bauplatz zur Verfügung. Dazu in Form von Spielchips einige Menschen, zehn Zaubersprüche und einige in diesem Spiel sowohl als Haustiere als auch als zu jagende Wildtiere der Ernährung und dem Opfern dienende Tschukka-Vögel.

Totem kennt nur ein einziges Zufallselement, nämlich das Geschlecht geborener Kinder. Alles andere ist eigentlich planbar – allerdings setzen von Mitspielern angewendete Zaubersprüche der Planbarkeit Grenzen. Diese wollen natürlich verhindern, dass die Totempfähle der Mitspieler wachsen. Das tun sie nur bei denjenigen zwei Spielern, deren Stämme am Ende einer Runde die höchste und die zweithöchste Kopfzahl vorweisen können. Diese Runde steht für eine Generation: In jeder Runde werde aus Kindern junge Erwachsene, aus diesen gereifte Erwachsene und aus diesen alte Menschen.

Letztere sind wichtig: Ein Totempfahl wird um ein Element abgebaut, wenn ein Stamm nicht mindestens einen alten Menschen umfasst. Und alte Menschen genießen den Vorteil, dass bei Nahrungsmangel erst jüngere verhungern.

Was außer Geburt, Altern, Nahrungsaufnahme und Totempfahl-Erhöhung sonst noch in jeder in acht Phasen eingeteilten Runde geschieht: eigene Menschen nach Belieben auf die eigenen Zelte verteilen, Zaubern, Jagdbeute verteilen und die Folgen von Krankheiten gewärtigen. Entsprechend eignet sich Totem weniger als Zwischendurch-Spiel. Auch stellt es einige Ansprüche an Aufmerksamkeit und Disziplin: Wer nicht dran ist, sollte die Finger vom Spielplan lassen; Durcheinanderreden kann in manchen Phasen Spieler vom konzentrierten Agieren ablenken; wer versäumt, einen zunächst verdeckt auszuspielenden Zauber rechtzeitig geltend zu machen, ist selbst Schuld; und wer erst gesagt bekommen muss, dass er dran ist, ... aber das ist ja ein alter Hut. Jedenfalls bietet sich an, dass strikt auf das Nacheinander-Agieren geachtet wird, auch wenn in manchen Phasen gleichzeitiges naheläge. Ferner sollten alle Aktionen von mindestens einem anderen Spieler geprüft werden, denn manche Flüchtigkeitsfehler liegen nicht fern - zum Beispiel beim Altern.

Es erfordert einigen Aufwand, sich die Bedeutungen der Abbildungen auf den Zauberchips einzuprägen, aber er lohnt sich: Das Zaubern trägt den Löwenanteil zur Interaktion bei. So kann beispielsweise das Geschlecht zu gebärender Kinder festgelegt werden, es können Zwillinge erzaubert werden, auch Unfruchtbarkeit ist das Ergebnis eines Zaubers. Gegen einen Zauber, der bewirkt, dass alle Einwohner eines Zeltes sterben, sind zwei Gegenzauber zu haben. Dass mancher Jäger nichts nach Hause bringt, lässt sich mit einem Zauberspruch bewirken, ebenso dass er so fleißig ist wie zwei Jäger. Etliche Zaubersprüche heben sich gegenseitig auf, nicht allerdings derjenige, der das Altern eines einzelnen Menschen verhindert. Das Reizvolle am Zaubern: Zauber-Plättchen legen die Spieler stets verdeckt in eigene oder fremde Zelte. Erst in der Phase, in der sie wirken sollen, werden sie auf die sichtbare Seite gedreht. So kann es vorkommen, dass Julia in eins von Gerds Zelten das Zauber-Plättchen legt, das den Jagderfolg Gerds dort lebender Männer verhindert. Sollte Gerd nach Julia dran sein, legt er dort vielleicht das Zauber-Plättchen Zwillingsgeburt, das sich mit einem eventuellen Unfruchtbarkeits-Plättchen gegenseitig aufhebt. Hätte er zuvor richtig geahnt, womit Julia ihm schaden wollte, hätte er dort lieber den doppelten Jagderfolg erzaubert, der Julias Plättchen kompensiert.

Diejenigen Spieler haben bei Totem einen Vorteil, die sich – wie beim Schach – gedachte Veränderungen gut vorstellen können. Es erfordert gerade angesichts schädigender Zaubersprüche schon eine deutliche Portion taktischen Geschicks, die Menschen und nützliche Zaubersprüche so auf eigene Zelte zu verteilen, dass stets sowohl genügend Nachwuchs gezeugt werden kann als auch dass in der Sippe mindestens ein alter Mensch zugegen ist.

Es kommt als Ergebnis mangelnder strategischer Planung, kombiniert mit boshaftem Zaubern der Mitspieler vor, dass ein Stamm ganz ausstirbt. Für diesen Fall sieht die Spielregel zwar einen Neustart des Spielers mit einem anderen Stamm vor, allerdings hat der davon betroffene Spieler wohl kaum eine Chance auf den Gewinn. Zudem zieht sich das absehbare Aussterben – z.B. weil keine Männer oder keine Frauen mehr zum Stamm gehören – mitunter über mehrere Runden hin, was den Spielspaß davon Betroffener nachhaltig dämpft. Dass keine Personen-Austausch zwischen den Stämmen stattfindet, fanden wir wenig plausibel .

Jede Totempfahl-Ebene ermöglicht eine kostenlose Zaubermöglichkeit. Weitere können durch Opfern eines Vogels erkauft werden. Ungünstig fanden wir, dass ein Spieler mit bereits recht hohem Totempfahl über recht viele Zauber-Möglichkeiten verfügt. Dadurch kommt ein weiteres Macht-Ungleichgewicht ins Spiel – andere Spieler können sich regelrecht abgehängt fühlen.

Raffiniert: In der Schachtel stecken vier Kunststoffeinsätze, die die Spielelemente tragen. Diese Einsätze dienen zudem analog zu Scrabble als Spielbänke für die Zauber-Plättchen. Wer nun aber denkt, solch eine pfiffige Lösung würde auch andere Ansprüche an die Transportsicherheit erfüllen, sieht sich getäuscht: Die Totempfahl-Elemente sind recht empfindlich, und wer die Schachtel senkrecht in eine Fahrradanhänge- oder Einkaufstasche steckt, kann das umfangreiche Spielmaterial vorm nächsten Auspacken neu sortieren. Da zwecks Zusammenbau der Totempfahl-Elemente großzügigerweise sogar eine Tube Kleber beiliegt, haben wohl nicht Pfennigfuchser das Bereitstellen wirkungsvollerer Verpackungs-Hilfsmittel verhindert.

Einige TesterInnen hat die Zusammenstellung von Vorder- und Rückseite der Menschen darstellenden Spielchips weniger überzeugt. Sie erwies sich in der Phase Alterung – wohl mangels Routine – als umständlich handhabbar und den Überblick nicht erleichternd. Dass der Name eines Autors auf der Schachtel und in der Anleitung mal als des Palliers und mal als des Pallieres angegeben wird, fanden wir seltsam – jedenfalls steht es zwei zu eins für die längere Ausführung. Der französiche Wikipedia-Eintrag spendiert zudem noch ein Accent aigu: Des Pallières.

Die von François Bruel vorgenommene grafische Gestaltung überzeugte manche mehr, manche weniger: Sie macht den Naturvolk-Charakter der dargestellten Menschen und ihrer Umgebung deutlich. Die Farb- und Formgebung und die insgesamt eher ausufernde Detailfülle fanden hingegen nicht alle ansprechend.

Die Spielregel trumpft mit Übersichtlichkeit auf, Beispiele helfen beim Klären fast aller aufkommender Unklarheiten. Überzeugend auch, dass zunächst das Spielmaterial ausführlich vorgestellt wird und erst danach die eigentliche Spielregel beginnt. Hilfreich wäre es, würde die auf der Rückseite des Regelheftes abgedruckte einseitige Kurzspielregel in vierfacher Ausfertigung beilegen. Auch eine vierfache Übersicht der Zauberspruch-Symbole könnten verhindern, dass sich ein Spieler mangels Routine mit einem schädigenden Zauber versehentlich selbst zurückwirft.

Einige von uns fanden Totem insgesamt etwas überdurchschnittlich unterhaltsam, andere etwas unterdurchschnittlich. Die lange Spieldauer tat dem keinen Abbruch – auch das fast hoffnungslose Zurückbleiben mancher Spieler nicht, lenkte es die Absicht, führenden Mitspielern durch Zaubern zu schaden, von ihnen ab. Ob die zusätzlich abgedruckten zahlreichen Varianten noch weiteren Pep hineinbringen, haben wir nicht probiert.

Dirk Bake

Sie sollten Totem kaufen, wenn Sie:
Sie sollten Totem nicht kaufen, wenn Sie:
- konstruktive Spiele fast ohne Zufallselemente mögen - ihr eigenes Spielziel auch aktiv verfolgen möchten, während Sie gerade nicht dran sind
- sich gern auch längere Zeit konzentrieren, andere Spieler bei ihren Aktionen durchgehend kontrollieren und eine gewisse Portion Frustrationstoleranz mitbringen - auf wenig bis gar nicht vom Eigentlichen ablenkende Gestaltung Wert legen
- Ihnen Polygamie und Inzest nichts ausmachen - mäßig komplexe Spiele Sie überfordern
- alle Spiele unbedingt haben müssen, die etwas mit Naturvölkern zu tun haben - es wenig unterhaltsam finden, dass Tiere gejagt, eingepfercht, geopfert und gegessen finden und erst, dass Menschen sterben
- nur Spieleschachteln akzeptieren, die sich auch anders als waagerecht transportieren lassen ohne dass in ihnen Unordnung entsteht


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Kurzinfos

Totem

Gesamtbewertung

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Autor

Philippe de Pallières und Patrice Pillet

Verlag

Queen Games

Erscheinungsjahr

1995

Spieleranzahl

2 - 4

Dauer

ca. 60 - 120 Min.

Alter

ab 10 Jahren

Preis

Nicht mehr erhältlich

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